Alternative und ergaenzende Finanzierungsleistungen
Die Einleitung
Als Alternative bzw. Ergaenzung zum Bankkredit wurden in den letzten Jahrzehnten spezielle Finanzierungsleistungen entwickelt. Fur sie ist charakteristisch, dass sie in der Regel in Verbindung mit bestimmten nicht- finanziellen Leistungen angeboten werden. Sie kommen entweder in Frage, wenn bei hoher Verschuldung oder Fehlen erforderlicher Sicherheiten ein Bankkredit nicht zur Verfuegung steht, oder wenn sie guenstiger als der Bankkredit sind.
Vorteile dieser Finanzierungsmoeglichkeiten liegen insbesondere in ihrer Kombination mit den zusaetzlichen Leistungen (z.B. Service, Beratung und andere Dienstleistungen) sowie in der — verglichen mit Banken — weitergehenden Finanzierungsbereitschaft der Anbieter. Ihnen stehen allerdings, in der Regel auch relativ hohe Kosten gegenueber. Weiter will ich auf die wichtigsten dieser Leistungsarten naeher eingegangen.
1.1. Factoring
Unter Factoring versteht man den laufenden Ankauf und die Verwaltung (Fakturierung, Buchfuehrung, Mahnwesen, Inkasso) von kurzfristigen Forderungen aus Wa-renlieferungen und Dienstleistungen aufgrund laengerfristiger vertraglicher Verein-barungen mit oder ohne Uebernahme des Bonitaetsrisikos und Bevorschussung der Forderungen durrh ein spezialisiertes Finanzierungsinstitut. Fuer dieses Geschaeft haben sich verschiedene Varianten herausgebildet, die man anhand des Leistungsumfangs und der Art der Forderungsabtretung unterscheiden kann. Faelligkeits- oder Maturity-Factoring liegt vor, wenn der Factor die Forderungen Wert Faelligkeitstag oder ohne Uebernahme des Delkredere ankauft und eine Bevorschussung nicht vorgesehen ist.
Echtes oder Old-Line-Factoring ist gegeben, wenn neben der Verwaltung der Forderungen auch Finanzierungsleistungen erbracht und das Kreditrisiko uebernommen werden. Bleibt das Kreditrisiko dagegen beim Klienten des Factors, dann spricht man von “Unechtem Factoring”. Obwohl mindestens das unechte Factoring wirtschaftlich als Kreditgeschaeft anzusehen ist, zaehlt das Factoring-Geschaft bisher nicht zu den Bankgeschaeften des 1 KWG, so dass Factoring-Unternrehmungen bisher nicht direkt der Bankenaufsicht unterliegen muessen. Haelt jedoch ein (uebergeordnetes) Kreditinstitut bei einem anderen (nachgeordneten) Kreditinstitut mindestens 40% der Kapitalanteile, so ist dieser zur Kreditinstitutsgruppe zu rechnen und unterliegt u.a. den entsprechendcn Eigenkapitalerfordernissen. Als nachgeordnete Kreditinstitute gelten auch Factoring- und Leasing-Unternehmungen (vgl. § 10a KWG).
Das Geschaeft wird hinsichtlich der Forderungsabtretung als offenes, halboffenes oder stilles (verdecktes) Verfahren betrieben. Beim “offenen” Verfahren (Notification-Factoring) wird dem Schuldner durch Rechnungsaufdruck oder Hinweis in den Allgemeinen Geschaeftsbedingungen angezeigt, dass die Rechnungssumme dem Factor abgetreten ist und dass mit befreiender Wirkung nur an ihn gezahlt werden kann. Fuer Unternehmen, die sich in einer finanziellen Anspannung befinden oder bei denen ein grosser Teil der Debitoren die Forderungsabtretung ausgeschlossen hat, erscheint das offene Verfahren nicht empfehlengswert. Hier kann das “halboffene” oder das “stille” Verfahren angewendet werden. Bcim halboffenen Verfahren wird die Zusammenarbeit mit dem Factor ebenfalls bekanntgemacht. Der Vermerk aufder Rechnung des Lieferanten enthaelt hier jedoch nur die Aufforderung, zugunsten eines vom Factoring-Institut gefuehrten Kontos des Lieferanten zu regulieren. Der ausdrueckliehe Hinweis auf die Forderungsabtretung fehlt. Beim stillen oder verdeckten Verfahren (Non-Notification-Factoring) wird dagegen der Glaeubigerwechsel nach aussen hin nicht erkennbar. Fuer den Factor liegt darin natuerlich ein erhoehtes Risiko. Er muss nicht nur darauf vertrauen, dass die Forderung tatsaechlich besteht und frei von Rechten Dritter ist, sondern auch darauf, dass alle Zahlungseingaenge umgehend an ihn abgefuehrt werden. Bcim halboffenen und beim stillen Verfahren behalten es sich die Factoring-Unternehmungen vielfach vor, die Abtretung offenzulegen, wenn sich dies als erforderlich erweist.
Die Begriffsbestimmung laesst bereits die drei Hauptfunktionen des Factoring erkennen:
- die Finanzierungsfunktion,
- die Dienstleistungsfunktion und
- die Delkrederefunktion.
Die Finanzierungsleistung des Factors besteht darin, dass er
- beim Ankauf der Forderungen per Zahlungseingang bzw. zum individuellen oder durchschnittlichen Faelligkeitstag seinem Klienten einen Vorschuss auf die Bezahlung der Forderung gewaehrt oder
- bei Uebernahme der Forderungen per Ankaufstag dem Klienten den Kaufpreis sofort gutschreibt.
Der Factor vereinbart mit seinem Klienten Limits fur dessen einzelne Abnehmer sowie eine Hoechstlaufzeit von normalerweise 90 bis 120 Tagcn fuer die Forderungen. Die Zahlungsfaehigkeit der Abnehmer prueft er haeufig schon bei Auftragseingang, so dass Lieferungeni an zahlungsschwache Kunden vermieden werden koennen. Von dem Gesamtbetrag der Rechnungen werden zwischen 10% und 20% einem Sperrkonto gutgeschrieben, das dem Factor als Sicherheit fuer Zahlungsaufaelle dient, die aufgrund von Maengelruegen, Retouren, Skonti oder Boni eintreten koennen. Ausserdem sichert das Sperrkonto Regressansprueche des Factors aus der Haftung des Klienten fur die Veritaet und - soweit nicht ausgeschlossen — fuer die Bonitaet der Forderungen. Die Vorschuesse werden mit dem jeweils bankuebliehen Satz fuer Kontokorrentkredite verzinst. Beim Ankauf der Forderungen Wert Ankaufstag wird ein entsprechender Diskontabzug vorgenommen.
Die Dienstleistungsfunktion ist die Grundlage des Factoring-Geschaefts. Der meist obligatorische Standardservice umfasst in der Regel die Debitorenbuchfuehrung einschliesslich zeitnaher statistischer Auswertung des Datenmaterials sowie das Mahnwesen und das Inkasso. An die Stelle zahlreicher Kundenkonten tritt in der Buchfuehrung des Klienten das Konto des Factors.
Neben der eigentlichen Debitorenbuchfuehrung koennen dem Factor noch weitere Aufgaben wie die Fakturierung und die Erstellung von Umsatz- und Betriebsstatistiken oder die Umsatzsteuer- und Vertreterprovisionsabrechnung uebertragen werden. Die bankmaessigen Dienstleistungen bleiben bei der Hausbank des Klienten.
Auch das Mahnwesen und Inkasso ubernimmt der Factor. Dem Abnehmer gegenueber treten dabei - je nachdem, ob die Forderungszession often oder still erfolgte — der Factor, sein Klient oder beide gemeinsam auf. Die Einschaltung des Factors kann zu schnellerer Bezahlung der Aussenstaende fuehren, denn der Factor wird konsequenter als der Lieferant mahnen, und die Abnehmer fuerchten, durch Zahlungsverzoegerungen ihren Ruf und u.U. auch die Geschaftsverbindung mit anderen Lieferanten zu gefaehrden, die ebenfalls Klienten des Factors sind. Die Kapitalbindung in den Aussenstaenden wird abgebaut; mit dem vorhandenen Kapital kann ein hoeherer Umsatz oder mit einem niedrigeren Kapital ein bestimmter Umsatz bewaeltigt werden. Agressionen und Aerger ueber die Mahnungcn werden auf den Factor abgelenkt.
Auf der anderen Seite darf aber auch nicht uebersehen werden, dass das Verhaeltnis zwischen dem Klienten und seinen Abnehmern leiden kann. Der Spielraum fuer Kulanz beim Einzug der Forderungen ist beim Factor geringer. Dies schliesst nicht aus, dass der Factor zu Zielverlaengerungen und anderem Entgegenkommen bereit ist, wenn die Umstaende des Einzelfalles dies zulassen. Den Branchenusancen und den Erfordernissen individueller Behandlung der Kunden muss der Factor Rechnung tragen. Eine kleinliche Inkassapolitik widerspricht auch seinen eigenen Interessen und er wird deshalb bemueht sein, finanzielle Schwaechen bei den Abnehmern seines Klienten durch konstruktive Beratung und Hilfestellung ueberwinden zu helfen, um so seinen eigenen Umsatz langfristig zu sichern. )