2. Man bestimmt die Deklinationstypen der Substantive im Ahd. nach den stammbildenden Suffixen, da die alten Kasusendungen in vielen Fällen geschwunden sind :

I. Vokalische Stämme :

a - Deklination ( m. tag, kuning, n. wort, houbit u.a. )- N.A. - taga

ja - Deklination ( m. hirti, n. kunni " Geschlecht" .)

wa - Deklination ( m. snêo, n. kniu " Knie " . )

i - Deklination ( m. gast. scrit "Schrift ", f. kraft, fart . )

II. Konsonantische Stämme

n - Deklination ( m. namo, garto "Garten " , boto, herza, ouga ora " Ohr ", zunga, sunna, wituwa .)

nt - Deklination ( m. friunt, fiant " Feind " )

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r - Deklination ( m. bruoder, fater, f. muoter , tohter . )

ir - Deklination ( n. lamb - lembir , kalb, huon, blat . )

Im Ahd. und Mhd. vollzieht sich der Wandel der Deklinationsystems. Entscheidend dafür war die Abschwächung der unbetonten Vokale in den stammbildenden Suffixen, die zu Kasusendungen wurden. Unterschiedliche Endungen a, o, i, u wurden zu - e abgeschwächt und im Mhd. verteilt man die Substantive in zwei Deklinationstypen - starke und schwache Deklination - nach dem grammatischen Geschlecht. Die vokalischen Stämme bilden die starke Deklination mit dem Merkmal - der Genitivendung - s im Sg., die konsonantischen n- Stämme liegen zugrunde der schwachen Deklination. Die übrigen konsonantischen Stämme schlossen sich der starken Deklination an. Im Fnhd. entwickelte sich die Deklination der Feminina mit der Nullendung im Sg.

Infolge der Abschwächung der unbetonten Vokale reduzierte sich die Zahl der Kasusendungen von 43 auf 9 im Mhd. und auf 4 im Nhd.

3. Die Entwicklung des Artikels beginnt im Ahd. Zuerst entwickelt sich der bestimmte Artikel ther, thiu, tha3 , dem ein Demonstartivpronomen zugrunde liegt. Der bestimmte Artikel ist im Ahd. noch im Werden. Er wird nur mit konkreten Substantiven gebraucht, um einen einzelnen Gegenstand zu bezeichnen : z. B. :

Sliumo bringet tha3 erira giuuti. Bringt schneller das beste Gewand.

Im Ahd. kommen bereits vereinzelte Formen des unbestimmten Artikels vor : "Einen kuning wue3 ich, hei3it her Hludwig.

Doch der regelmäßige Gebrauch des unbestimmten Artikels entwickelt sich erst in der mhd. Zeit. Vgl. im " Nibelungenlied " :

Es wuochs in Burggonden ein viel edel magadin .

sie wart ein schoene wip. ( Es wuchs in Burgund eine edle Jungfrau, . sie wurde zu

einer schönen Frau .)

Auf diese Weise entsteht seit Beginn der mhd. Zeit die Opposition zwischen dem Substantiv mit dem bestimmten Artikel und dem Substantiv mit dem unbestimmten Artikel, die die grammatische Kategorie der Bestimmtheit / Unbestimmtheit zu einer vollentwickelten Kategorie prägt.

THEMA X .

Die Syntax der deutschen Sprache aus diachronischer Sicht.

1. Der einfache Satz.

2. Der zusammengesetzte Satz.

3. Die Negation.

1. Schon im Ahd. war die vorherrschende Satzform der zweigliedrige Satz mit einer Subjekt - Prädikat - Struktur. z. B. : Sum man habeta zuuene suni. Ein Mann hatte 2 Söhne.

Wie in allen flektierenden Sprachen war die Wortstellung im Satz frei. Das Prädikat konnte im Ahd. im Aussagesatz sowohl an der zweiten Stelle als auch am Satzanfang und im Satzschluß stehen :

z. B. Araugta sich imo gotes engil." ( Es ) erschien ihm ein Engel Gottes. "

Alla thesa naht arbeitende niuuih ni gifiengumes.

" Die ganze Nacht haben wir gearbeitet und nichts gefangen ".

Es lassen sich bereits im Ahd einige neue Tendenzen in der Satzgestaltung verfolgen,

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die in der Folgezeit die Eigenart des deutschen Satzbaus prägten.

1) Die Tendenz zur Verbreitung der zweigliedrigen Satzstruktur auf den unpersönlichen und unbestimmten-persönlichen Satz ( mit den Pronomen es und man ).

2) Die Tendenz zur Entwicklung der Elemente der festen Wortstellung im Satz , vor allem zur Bindung der Stelle des Prädikats und zur Entwicklung der Umklammerung.

Diese Erscheinungen bestimmten weitgehend die Eigenart der Satzgestaltung in der deutschen Gegenwartssprache.

2. Schon die ersten ahd. Sprachdekmäler enthalten verschiedene Typen komplexer ( zusammengesetzter ) Sätze. Aber ihre Zahl ist gering im Vergleich zu der deutschen Gegenwartssprache. Sie entwickelten sich später, in der Folgezeit.

Die Satzverbindung hat im Ahd ebenso wie in der Gegenwartssprache zwei Hauptmodelle : konjuktionslose und konjuktionale Satzverbindung :

1) Einan kuning wei3 ih, hei3t her Hludwig.

2) Thanan tho Zacharias uuard gitruobit tha3 sehenti, inti fortha anafiel ubar inan. " Zacharias war verwirrt, das sehend, und Furcht überfiel ihn ".

Die gebräuchlichsten Konjuktionen waren inti, ioh = " ich ", ouh = "auch ", doh = "doch " abur = "aber", odo = "oder". Aber es gab noch keine kausalen und finalen Konjuktionalwörter wie denn, folglich, daher, darum, infolgedessen u.a.

Das Satzgefüge.

Das Ahd. besitzt Gliedsätze für alle Satzglieder, d.h. Subjekt, -Objekt-, Prädikativ-, Adverbial- und Attributsätze. Die Endstellung des Prädikats im Gliedsatz, was die Gegenwartssprache prägt, gilt im Ahd. noch nicht als Regel. Doch kam sie in den Gliedsätzen schon häufig vor :

Thu weist,tha3 ih thih minnon.

" Du weißt , daß ich dich liebe. "

Da die Endstellung des Prädikats nur in Gliedsätzen vorkommt, wird sie allmählich zum Prägemittel des Gliedsatzes.

Im Mhd. gab es wenige Neuerungen in der Entwicklung des Satzbaus. Nur die Anfansstellung des Prädikats im Aussagesatz war aus dem Gebrauch gekommen.

Die Herausbildung verschiedener literarischer Gattungen sowie der gelehrten Prosa und der Kanzlei - und Geschäftsprosa in der frühneuhochdeutschen Zeit, die politische und religiöse Literatur der Reformationszeit Luthers, die Bemühungen der Humanisten um die deutsche Sprache förderten die weitere Entwicklung der syntaktischen Struktur der deutschen Sprache. Es kamen neue Konjuktionen auf, es entstanden neue Modelle komplexer Sätze .

Bereits im XII-XIV Jh. wurde die Voranstellung von Adjektivien, Partizipien und Pronomen in den attributiven Wortgruppen vorherrschend.

Die Tendenz zur festen Stellung des Prädikats wurde erst im Ahd. zur Regel. Auch die verbalen Klammer entwickelte sich bis in die nhd. Zeit.

Über den Übergang von der doppelten Negation zur Gesamtnegation siehe bei Moskalskaja ( 112. Seite 228 )

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Thema XI Der Wortschatz der deutschen Gegenwartssprache in

sprachgeschichtlicher Beleuchtung.

Die althochdeutschen Sprachdenkmäler zeugen davon, daß die deutsche Sprache schon in jener Zeit einen reichen Wortschatz besaß . Neben den Wörtern aus dem Bereich des alltäglichen Verkehrs besaß das Ahd. einen reichen Schatz von Wörtern aus dem Bereich des Geisteslebens, der Dichtung, der Viehzucht und des Ackerbaus, des Bau-, Rechts - und Heereswesens. In den ahd. Sprachdenkmälern kommt das ständige Wachstum des Wortschatzes im Zusammenhang mit der Entwicklung der feudalen Kultur, der klerikalen Bildung, des Staats-und Rechtswesens, mit der Übertragung zahlreicher lateinischer theologischer und philosophischer Schriften in die deutsche Sprache und der Schaffung der dazu notwendigen Terminologie zum Ausdruck.

Der deutsche Wortschatz bereicherte sich einerseits durch zahlreiche Entlehnungen, andererseits durch Wortbildung. Die meisten Entlehnungen der vor - und ahd. Zeit sind aus der lateinischer Sprache z. B. : )