Die Wirtschaftssysteme

Die Wirtschaftssysteme

I. Die Wirtschaftssysteme

Die Ordnung des Wirtschaftslebens beinhaltet als Kernfrage das Verhältnis Staat - private Wirtschaft, Bindung und Freiheit im 'Wirtschaftsbereich sowie Eigentum und Verfügung über di( Produktionsmittel. Die durch die Industrialisierung hervorgeru­fene Produktionssteigerung hat in zunehmendem Maße als politi­sche Komponente die Beziehungen zwischen Stabilität der Preise, wirtschaftlichem Wachstum, Erhaltung der Kaufkraft und Siche­rung der Arbeitsplätze ins Spiel gebracht, wobei dieses „magisch Viereck" im Gleichgewicht zu halten ist. Die Verschiedenheit der praktizierten Wirtschaftssysteme führt jedoch zwangsläufig zui Überbetonung der einen oder anderen Komponente und damil zu einer entgegengesetzten Entwicklung innerhalb der freien bzw. sozialen Marktwirtschaft und der Planwirtschaft. Beide Sy­steme sind volkswirtschaftliche Denkmodelle, die in der Praxis vermischt auftreten.

l. Freie Marktwirtschaft

a) Die klassische Nationalökonomie

Diese Form des Wirtschaftslebens entspricht einem Bedürfnis des handel- und gewerbetreibenden Industriestaates und dem Sy­stem des modernen Kapitalismus. Sie wird dadurch geprägt, dat der Einzelmensch auch im Wirtschaftsleben sich selbst überlasset bleibt, während auf dem Markt das freie Spiel der Kräfte herrscht. Kennzeichnend ist das Verhältnis von Produktion und Bedarf das sich ebenso wie das Verhältnis von Angebot und Nachfrag von selbst regelt. Es findet also ein marktwirtschaftlich automaÄ scher Ausgleich aller Interessen statt, wobei sich eine naturlich Auslese der Besten nach Maßgabe ihrer Leistungen vollzieht. Un die Marktwirtschaft völlig unbeeinflußt funktionieren zu lassen ist ein von Lenkungsprinzipien freier Handel, Waren- um Dienstleistungsverkehr sowie eine nahezu unbegrenzte Gewerbt freiheit erforderlich. Auch die schrankenlose Freiheit des Eigen tums mit der dazugehörigen Verfügungsmacht über Grund um

Boden muß vom politischen Prinzip her gewährleistet sein. Glei­ches gilt für die Freizügigkeit (d.h. die Beschäftigung, Berufsaus-nbung und Arbeitsplatzwahl), die Freiheit der Konsumwahl und die Freiheit der Lohn-/Preisgestaltung.

Diese Form der klassischen Nationalökonomie hat sich infolge der „eigentümlichen Dialektik des Freiheitsbegriffes" selbst zer-wört, wobei die absolute Vertragsfreiheit die Wettbewerbsfreiheit ausgehöhlt hat. Da die uneingeschränkte Freiheit als solche ihr Regulativ in der Gesetzmäßigkeit des Marktes findet, die jeweili­ge Nachfrage sich aber auf das günstigste Angebot einpendelt, wird - um eine Ordnung aufrechtzuerhalten - ein Gleichgewicht itr Kräfte vorausgesetzt.

Beispiel: Vielzahl gleich großer, gleich leistungsfähiger und gleich kapi-ulkraftiger Einzelbetriebe.

Der Markt selbst hat, von diesem freien System ausgehend, das Gleichgewicht der Kräfte verschoben, da Industrialisierung, Ver­kehr und Technik den Großbetrieb gebracht und die Entstehung von Kartellen, Monopolen, Syndikaten und Konzernen gefördert laben. Dadurch ist in vielen Fällen die Initiative kleiner und mitt­lerer Unternehmen erstickt worden und es bedarf deshalb politi­scher Überlegungen, um die Investitionsfreudigkeit des Unter­nehmens und damit die Expansion der Wirtschaft (= Steigerung : des Lebensstandards) sicherzustellen.

b) Die soziale Marktwirtschaft (Bundesrepublik) Durch die historische Entwicklung ist der Automatismus der sich selbst regelnden Wirtschaft beseitigt. Damit ist auch die Vor-tussetzung für eine völlige Zurückhaltung des Staates entfallen, <h die ungehinderte Monopolisierung lebenswichtiger Güter zu Ausbeutung, Kapitalbindung und politischer Macht führen kann. Diesen drohenden sozialen Ungleichgewichten wirkt die Form dtr sozialen, d.h. teilbeeinßußten Marktwirtschaft entgegen, die tut einem sich frei nach Angebot und Nachfrage bildenden Preis (l. B. für Textilien) beruht. Die Intervention des Staates geschieht durch Gesetze oder Einzelakte, wobei die dirigistischen Maßnah-•Kn weder generell, noch i. S. einer Globalsteuerung der Wirt­schaft, sondern nur im Bedarfsfall mit geringstmöglichem Um­fang ergriffen werden. Eine Verplanung oder Verstaatlichung der ii'irtschaft in ihrer gesamten Breite fehlt völlig.

Die Lenkungsmaßnahmen der öffentlichen Hand dienen dem Zweck, das nach wie vor erstrebte automatische Funktionieren des Marktes nicht zu stören und das Prinzip des freien Wettbe­werbs aufrecht zu erhalten.

Beispiele: Subventionen; Förderung der Randgebiete; Schutz von Be­rufsbildern; Ausgleich im Wettbewerb; Preisauszeichnung; Ein- und Ausfuhrregelung; Imerzonenhandelsvorschriften.

Auch Gesetze (vgl. S. 48) über Versicherungs- und Kreditwe­sen, Bausparen und Vermögensbildung, agrarrechtliche Markt­ordnungen, Vorschriften über Absatzsicherung (z.B. Zucker) und Bevorratung (z.B. Mineralöl) sowie die Verflechtung Euro­pas garantieren eine sozial ausgewogene Märktwirtschaft.

Der Ausgleich sozialer Härten wird ferner durch die vom Staat betriebene Geld-, Finanz- und Diskontpolitik erstrebt, wobei in der Bundesrepublik Deutschland die (unabhängige) Bundesbank mit ihrem kreditpolitischen Instrumentarium dem Staat zur Seite steht. Die Interventionsmöglichkeiten in einer nicht tausch-, son­dern geldorientierten Wirtschaft bestehen darin, daß die Umlauf-menge des Geldes, die Deckung dieser Menge in wertneutralen Beständen (z.B. Gold), die Höhe der Zinssätze (Diskont-, Lom­bardsatz) sowie die Konvertierbarkeit deriWährung (Devisenbe­wirtschaftung, Wechselkurspolitik) beeinflußt werden kann.

Beispiele: Höhe der Mindestreservesätze freier Geldinstitute bei dei Bundesbank; Rediskontbeschränkungen; Konjunkturausgleichsrückk-ge; Kreditaufnahmebeschränkung; Investitionshilfe&bgaben.

Auch eine mehrjährige Finanz- und Haushaltsplanung, die Er­stellung von Orientierungsdaten für die Wirtschaft, die Förde­rung des Wohnungsbaues und der Vermögensbildung, die Stabil!-tätsgesetzgebung sowie eine maßvolle Lohn- und Preispolitik sind für Konjunktur, Wirtschaft und Markt von Bedeutung. Schließlich dient auch die Steuer- und Zollgesetzgebung da Wirtschaftslenkung sowie der Investitions- und Leistungsfreu­digkeit von Konsumenten und Produzenten. Jedes staatliche En­gagement ist jedoch nur im Interesse einer ausgeglichenen Zah­lungsbilanz und einer gesunden, privatwirtschaftlich orientiertet Volkswirtschaft zu rechtfertigen.

Als Folge von Rezession, Arbeitslosigkeit, Preisauftrieb und Deckungslücken in den öffentlichen Haushalten kommt eini Wirtschaftslenkung in Form der Investitionskontrolle in Be-

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tracht, die von gemeinsamer Absprache zwischen öffentlichen und strukturellen Investitionen der Großunternehmer bis zur Einführung von Wirtschafts- und Sozialräten mit Rahmenpla­nungskompetenz reicht.

2. Planwirtschaft

Im Gegensatz zur frei nach Angebot und Nachfrage sich regu­lierenden Wirtschaft verkörpert die Planwirtschaft den Willen des Staates, nicht den des Unternehmens. Ziel dieses Wirtschafts­systems ist, Produktion, Absatz, Eigenverbrauch, Gütervertei­lung und Export nach dem in volkswirtschaftlicher Planung er­rechneten Bedarf kraft Gesetzes zu bestimmen. Damit verbunden ist die (theoretische) Sicherung der Arbeitsplätze für die Zeit der Planung sowie die stete Steigerung des Bruttosozialprodukts (= alle erarbeiteten Werte und Dienstleistungen). Maximalziel ist Bedarfsdeckung, nicht mehr. An die Stelle der Marktregulierung tritt staatliches Reglement. Infolgedessen wird der Unternehmer und Kapitalist (theoretisch) durch das Volksganze, praktisch durch den Funktionär ersetzt, der den Staat verkörpert und den (mehrjährigen) Wirtschaftsplan durchzusetzen hat. Das Funktio­närswesen beherrscht so die Wirtschaft, wird Träger der Macht und erwirbt ökonomische Vorrechte. Der Staat wird dadurch ium unkontrollierbaren Verwaltungsapparat, in dem die soziale "nd ökonomische, d.h. unternehmerische Abhängigkeit ständig zunimmt.