Entstehen und Entwicklung der deutschen Sprache

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b) Wandel der Existenzformen der Sprache : ob die Sprache nur in gesprochener Form existiert oder auch ein Schrifttum besitzt, ob sie nur in Form von Mundarten lebt oder auch übermundartliche Existenzformen hat.

Die ältesten deutschen Schriftdenkmäler stammen aus dem VIII. Jh. Die Geschichte der deutschen Sprache wird also seit dem Beginn der sprachlichen Überlieferung bis zur Gegenwart in folgende Perioden gegliedert :

Althochdeutsch (Ahd ) - von 750 bis um 1050;

Mittelhochdeutsch ( Mhd ) - von etwa 1050 bis um 1350 ;

Frühneuhochdeutsch ( Fnhd ) - von etwa 1350 bis um 1650 ;

Neuhochdeutsch ( Nhd ) - von etwa 1650 bis zur Gegenwart.

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Thema II. Vorgeschichte der deutschen Sprache

Plan

1. Die alten Germanen und ihre Sprachen.

2. Urgermanisch.

3. Urgermanische phonologische Neuerungen. Die Akzentverschiebung.

Die erste ( I ) germanische Lautverschiebung

Das Vernersche Gesetz

Der traditionelle grammatische Konsonantenwechsel

1. Die deutsche Nationalität ist aus den westgermanischen Großstämmen im frühen Mittelalter hervorgegangen . Deshalb müssen wir zuerst über die alten Germanen und

ihre Sprache sprechen.

Die Germanen sind aus einer Gruppe von urindoeuropäischen Sippen und Stämmen entstanden. Die Entwicklung des germanischen Volkstums mag im dritten Jahrhundert v.u.Z. begonnen haben. Um diese Zeit lebten die Germanen in Südskandinavien, an der Ostseeküste, auf der Halbinsel Jütland und im Raum der Elbmündung. Hier hat sich im Laufe der jahrtausendelangen Sonderentwicklung, vermutlich zwischen 3000 - 1000

v.u.Z. ein besonderer Sprachtyp, die germanische Grundsprache oder das sogenannte Urgermanisch herausgebildet.

Die alten Germanen waren ein Hirten- und Jägervolk. Sie brauchten neue Gebiete für ihre Viehzucht und so wanderten sie im ersten Jahrhundert v.u.Z. bis an den Rhein und an die untere Donau. In dieser Zeit kamen die barbarischen Stämme der Germanen in Berührung mit der antiken Welt. Es kam auch zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Germanen und Römern.

Aus dieser Zeit stammen die ersten schriftlichen Überlieferungen über die germanischen Stämme des Altertums. Sie finden sich in den Werken griechischer und römischer Schriftsteller aus der Zeit zwischen dem IV. Jh. v.u.Z. ( der griechische Geograph und Astronom Pytheas aus Massilia ) und dem I.-II Jh. u.Z. ( das berühmte Werk des römischen Geschichtsschreibers Tacitus " Germania ", die Weltgeographie des Ptolomäus ). Seht aufschlußreich ist das Werk des römischen Feldherrn Gaius Julius Cäsar ( 100 - 44 v.u.Z. ) " Gallischer Krieg " ( 52 v.u.Z. ).

Aus dem ausführlichen Bericht Cäsars erfahren wir, daß die Germanen im I. Jh. v.u.Z. noch unter den Verhältnissen einer festgefügten Gentilgesellschaft lebten, einer patriarchalichen Sippe. Die Sippen schlossen sich in zahlreiche größere Stämme zusam-

men. Sie hießen Gimbern, Teutonen, Herusker, Batawer, Brukterer, Hatuarii u.a.m. An der Spitze der Sippe stand der Sippenvorsteher ( germ. kuning - König ). Aus den Sip-

penvorstehern bildete sich der Stammesrat. Für Kriegszüge und Kriegsfürung wurden außerdem Heeresführer ( germ. herizogo ) gewählt.

Um das Jahr 100 u.Z. lebten die Germanen in folgenden Siedlungsgebieten :

- in Skandinavien ( dort lebten die Nordgermanen oder die Skandinavier )

- an der Ostseeküste und an der unteren Wisla ( die Goten, die Burgunden, die Wanda-

len, d.h. die Ostgermanen.

- zwischen der Elbe und dem Rhein ( Ingwäonen, Istwäonen, Herminonen, d.h. West-

germanen ).

Dementsprechend unterscheidet man drei Gruppen der altgermanischen Sprachen :

nordgermanische oder skandinawische Sprachen

ostgermanische Sprachen ( Gotisch )

westgermanische Sprachen

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In den ersten fünf Jahrhunderten u.Z. wanderten die Germanen in die neuen Wohnge­biete zwischen Donau, Rhein und Nordmeer, später in Südeuropa und Nordafrika ein. Diese Zeit ist als Zeit" großer Völkerwanderung " bekannt. F. Engels hat sie in seinem Werk " Zur Urgeschichte der Deutschen " ausführlich geschildert.

2. Wie schon gesagt, wird die Sprache der alten Germanen als Urgermanisch bezeichnet.

Das Urgermanische war eine mehr oder weniger einheitliche Sprache oder vielmehr ein Kontinuum von engverwandten Dialekten. Diese Dialekte waren schriftlos.

Vom Sprachkörper des Urgermanischen besitzen wir keine Zeugnisse. Doch können die wichtigsten Charakterzüge des Urgermanischen rekonstruiert werden, z.B. der Wortschatz.

Verwandtschaftsnamen :

d. Mutter - ahd. muoter, as. modar, ae. moder - russ. мать, матери, lat. mater, griech. meter.

d. Vater - ahd. fater, got., as. fadar, ae. f dar - lat. pater, griech. pater, ai. pitar.

3. Das Urgermanische besaß bestimmte Neuerungen im Wortschatz, in der Formenbildung und im phonologischen System. Zu den wichtigsten Neuerungen im phonologischen System des Urgermanischen gehören die Akzentverschiebung und die

I. germanische Lautverschiebung.

1) Die erste oder germanische Lautverschiebung ( das Grimmsche Gesetz ) ist ein durchgreifender Wandel im Konsonantensystem, der sich im Urgermanischen vermutlich im Zeitraum von 2000 bis 1000 v.u.Z. vollzogen hat. Diese phonetische Erscheinung wurde 1882 von dem deutschen Wissenschaftler Jakob Grimm erforscht. Unter dem Terminus " Verschiebung " verstand J. Grimm die teilweise Veränderung der Artikulationsstelle der indoeuropäischen stimmlosen und stimmhaften Konsonanten (Explosivlaute ). Man unterscheidet drei Akte in der I. germanischen Lautverschiebung :

- 1. Die i/e stimmlosen Explosivlaute p, t, k wurden im Urgermanischen zu stimmlosen Frikativlauten f, p, h; z.B.

sanskr. = ai. pitar, griech. pater, lat. pater - got. fadar,ae. father, ahd. fater.

griech. treis, lat. tres, русс.три -got. preis, as. thria, ae. three.

griech. kardia, lat. cor - got. hairto, as. herta, ahd. herza.

- 2. Die i/e stimmhaften Explosivlaute b, d, g wurden im Urgermanischen zu stimmlosen p, t, k,

z.B. русс. яблоко -engl. apple; русс.слабый -nieddt. slap.

lat. duo, русс. два- got. twai, e. two

lat. jugum, русс. иго - got. juk, aisl. ok "Joch "

- 3. Die i/e stimmhaften behauchten Explosivlaute bh, dh, gh wurden im Urgermanischen zu stimmlosen unbehauchten Frikativlauten ( b, d, g.) oder zu stimmhaften unbehauchten Explosivlauten b, d, g, dh. bh> b> b, dh> d> d, gh>g> g z. B. :

sanskrit= ai. bhratar, русс. брат - got. bropar, as. brothar, e. brother,

ahd. bruodar

ai. rudhiras, tschech. rudy ( rot) , русс. рудой, рыжий - got. raups,

Gen. raudis, ahd. rot.

ai. stighnomi, русс. настигаю,griech. steicho - got. steigan, ahd. stigan

2) Das Vernersche Gesetz.

Aber die i/e stimmlosen Explosivlaute p, t, k wurden zu stimmlosen f, p, h, nur wenn

der Wortakzent unmittelbar auf dem Vokal vor diesen Explosivlauten lag, also :

- f, - p, - h. In allen anderen Fällen wurden sie stimmhaft , also :

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f, p, h > b, d, g, später b, d, g in : - - b, b - >b, - - d - > d; - - g, g - >g

Diese Gesetzmäßigkeit formulierte 1877 der dänische Gelehrte Karl Werner und sie wird das Vernersche Gesetz genannt.

z.B. русс. свёкор - ahd. swehur

aber свекровь ahd. swigar.

So kann Karl Verner zu der Schlußfolgerung, daß während der I. Lautverschiebung der Wortakzent im Urgermanischen noch frei wie im Indoeuropäischen war.

Derselbe akzentbedingte Wandel betraf das urgermanische S , das zum stimmhaften